„Facebook ist eine undemokratische Kommunikationsmaschine, die keinen Widerspruch duldet“

Als eine „undemokratische Kommunikationsmaschine, die keinen Widerspruch duldet“ bezeichnete Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung aus Berlin, das US-Unternehmen.


Wien. Leidenschaftliche Diskussion um den großen „Frenemy“ Facebook, den geliebt-gefürchteten Feind-Freund der Medienbranche, auf dem European Newspaper Congress 2018 in Wien. Unter dem Motto „Was wird aus Facebook? Unsere Zukunft mit der unheimlichen Macht“, die von Paul-Josef Raue moderiert wurde, erhitzten sich die Gemüter am zweiten Tagungstag, zu dem über 500 Chefredakteure und Medienmanager angereist waren. Als eine „undemokratische Kommunikationsmaschine, die keinen Widerspruch duldet“ bezeichnete Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung aus Berlin, das US-Unternehmen. Facebooks auf undurchsichtigen Algorithmen basierende Geschäftspraktiken kritisierte er hart. „Die Intransparenz entzieht den sozialen Medien die Aufklärung“, so Krüger. Die Kritik an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook, die gesellschaftlich zum vieldiskutierten Phänomen der Filterblasen führt, mischte er allerdings auch mit selbstkritischen Tönen. „Wir haben alle erst die Datenkrake zu dem gemacht, was sie ist“, so Krüger. „Wir haben selbst den mephistophelischen Pakt geschlossen.“

Während der grundsätzliche Gedanken, sich über soziale Medien vernetzen zu können, begrüßt wurde, kritisierte Corinna Milborn, Moderatorin des österreichischen Privat-TV-Senders Puls4 TV, das Unternehmen auch auf medienrechtlicher Grundlage. „Facebook ist nicht nur Plattform, sondern Herausgeber eines Massenmediums – des News Feeds“, sagte sie auf der Tagung im Wiener Rathaus. Was dort zu lesen sei, erinnere sie oft an „Boulevard auf Steroiden“, so Milborn – bis hin zur viel kritisierten Verbreitung von Hassreden und politischer Agitation. „Da sehen wir große Schwierigkeiten für den Zusammenhalt der Gesellschaft.“

Die gelernte Politikwissenschaftlerin und Journalistin Milborn würde als Gegenkraft gegen die Marktmarkt von Facebook einen breiten Zusammenschluss medialer Player begrüßen – durchaus inspiriert vom öffentlich-rechtlichen Gedanken, den man aus der Rundfunkwelt kennt. Die weit verbreitete Praxis in vielen Medienhäusern, sich mit Facebook – mit Blick auf erwünschte Traffic-Ströme – zu arrangieren, sieht sie kritisch. „Facebook bringt die europäischen Medien dazu, ihren wertvollsten Content ihrem Konkurrenten Facebook zu schenken“, so die Puls4 TV-Managerin. „Das würden wir untereinander sonst nie machen.“

Für die Haltung, Facebook nicht zu verteufeln, trat dagegen Rainer Esser, Geschäftsführer „Die Zeit“ aus Hamburg, ein. „Auf der Plattform gibt es Missbrauch“, sagte er in Wien. „Aber auch zu 99 Prozent Nicht-Missbrauch.“ Facebook sei keineswegs ein verbrecherisches System, sondern für ihn ein Partner, mit dem er gerne zusammenarbeite. Vom Kerngedanken der sozialen Netzwerken, so Esser, könnten die Verlage nur lernen. „Was macht Facebook erfolgreicher? Das ist die Zentrierung auf die Nutzer.“

Corinna Milborn sieht das US-Unternehmen dennoch in der Verantwortung, sich dezidierter als bisher zu erkennen sei, für die Kuratierung der Inhalte auf der Plattform einzusetzen. „Bei Medien gilt das Herausgeberprinzip“, sagte sie auf dem European Newspaper Congress. „Das Medium ist für den Inhalt verantwortlich, bevor er publiziert wird.“ Rainer Esser plädierte – anders als seine Mitdiskutanten, darunter auch der prominente österreichische Autor, Jurist, Datenschutzaktivist und Facebook-Kritiker Maximilian Schrems – dafür, nicht auf Biegen und Brechen nach neuer Regulierung zu rufen. Stattdessen müsse man bestehende Gesetze „beinhart anwenden“, so der „Zeit“-Chef. „Und dann abschauen, was soziale Netzwerke wie Facebook erfolgreicher machen – die legalen Teile.“

Beim European Newspaper Congress 2018 vom 13. bis 15. Mai in Wien tauschen 500 Chefredakteure und Medienmanager ihre besten Konzepte aus, berichten über erfolgreiche Cases und diskutieren über Werte und Verantwortung. Der European Newspaper Congress wird vom Medienfachverlag Johann Oberauer, der Stadt Wien und Norbert Küpper, Zeitungsdesigner in Deutschland, veranstaltet. Kooperationspartner wie der Verband der Österreichischen Zeitungsverleger unterstützen diese jährliche europäische Veranstaltung.

Pressekontakt:
Johann Oberauer, Tel. +43 664 2216643